Mein Outing an die Welt

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ADHS und der innere Sturm – Mein Outing, mein Leben, meine Stärke

Dein Drache, dein Sturm

ADHS zu haben, ist wie der Versuch, einen ungezähmten Drachen zu reiten – oder wie ich ihn nenne, „Elvira“. Sie ist wild, impulsiv und unglaublich energiegeladen. Sie bringt mich oft in die Höhe, manchmal lässt sie mich abstürzen, und gelegentlich zerstört sie einfach das Lagerfeuer, das ich mühsam aufgebaut habe. Aber hier ist das Geheimnis: Wenn ich Elvira nicht als Feind sehe, sondern als Begleiterin, dann wird aus dem Chaos ein Abenteuer.

Dieser Blogbeitrag ist mein ehrlicher Blick auf mein Leben mit ADHS – von den Herausforderungen über die Höhenflüge bis hin zu den Momenten, in denen Elvira mich einfach aus der Bahn geworfen hat. Es ist kein perfektes Bild, sondern ein echtes. Und ich hoffe, dass du darin etwas findest, das dich inspiriert und dir zeigt: Du bist nicht allein.

ADHS-Diagnose: Der Anfang einer langen Reise

Ich war 15, als ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie saß und ein Arzt mir erklärte, dass ich ADHS habe. Damals war das nicht die Erleichterung, die es heute vielleicht sein könnte. ADHS wurde kaum verstanden, und in Deutschland war es vor allem das „Zappelphilipp-Syndrom“. Für mich war die Diagnose zwar eine Erklärung, aber keine Lösung. Es war mehr wie ein Etikett, das man mir aufklebte, ohne mir Werkzeuge an die Hand zu geben.

Die Medikamente, die ich damals bekam, halfen – irgendwie. Aber mit 19 oder 20 wurden sie abgesetzt. Die Krankenkasse lehnte es ab, die Behandlung fortzusetzen, weil ADHS als „Kinderkrankheit“ galt. Man dachte, es würde sich „auswachsen“. Was niemand begriff, war, dass es sich nicht auswächst. ADHS ist nicht wie ein Hautausschlag, der verschwindet. Es bleibt. Elvira blieb. Und ohne Medikamente oder echte Unterstützung war ich auf mich allein gestellt.

Erst 2014, durch einen Hausarzt, der meine Symptome ernst nahm, bekam ich wieder Medikamente. Diesmal war „Adult“ auf der Packung vermerkt. Es war eine bittere Erkenntnis: Wie viel einfacher hätte mein Weg sein können, wenn dieses Wissen früher verfügbar gewesen wäre?

Ein Junge mit einer Schüssel Cerealien in der Küche, während Milch aus einer Schublade fließt.

Das Frühstücks-Dilemma: Wenn Chaos dein Alltag ist

Ein normaler Morgen bei mir ist selten normal. Beispiel gefällig? Ich gehe in die Küche, um Cornflakes zu holen. Auf dem Weg fällt mir ein, dass ich eigentlich meinen Schlüssel suchen wollte. Ich finde ihn, aber während ich ihn anschaue, beschließe ich, die Küchenschublade aufzuräumen. Der Apfel, den ich für mein Frühstück genommen habe, landet irgendwo auf der Spüle, und plötzlich sitze ich – hungrig und ohne Plan – am Küchentisch. Willkommen in meinem Kopf.

Dieses Dilemma ist mehr als nur eine lustige Anekdote. Es zeigt, wie ADHS mich im Alltag beeinflusst. Es ist nicht Faulheit oder mangelnde Disziplin. Es ist Elvira, die ständig neue Impulse setzt, ohne dass ich sie kontrollieren kann. Und ja, manchmal schaffe ich es nicht, dieses Chaos zu bändigen. Aber genau das ist okay. Ich habe gelernt, dass Fehler Teil des Prozesses sind.

ADHS ist mehr als Chaos: Die Stärke des Hyperfokus

Wenn du mit ADHS lebst, gibt es auch die Momente, in denen Elvira und ich perfekt harmonieren. Das nennt sich Hyperfokus. Wenn ich in diesen Zustand komme, kann ich mich so tief in eine Aufgabe vertiefen, dass ich die Welt um mich herum vergesse. Stunden vergehen, ohne dass ich es merke, und ich erreiche eine Produktivität, die ich sonst nie hätte.

Ein Beispiel: Beim Schreiben von Blogbeiträgen wie diesem tauche ich vollkommen in die Wörter ein. Es fühlt sich an, als würde ich mit jedem Satz ein Bild malen. Doch wie alles mit ADHS hat auch der Hyperfokus eine Schattenseite. Während ich mich in ein Projekt stürze, bleibt alles andere liegen. Rechnungen, Essen, soziale Kontakte – sie verschwinden aus meinem Blickfeld. Der Schlüssel liegt darin, diesen Fokus bewusst zu steuern, auch wenn es schwerfällt.

Der Maschinenmodus: Stärke und Gefahr im Feuerwehreinsatz

In meiner Arbeit als Feuerwehrmann zeigt sich eine andere Seite von ADHS: der Maschinenmodus. Sobald der Alarm ertönt, wird alles um mich herum ruhig. Mein Kopf wird klar, jede Bewegung ist zielgerichtet. In diesen Momenten hilft mir Elvira, indem sie mir Fokus und Schnelligkeit verleiht.

Aber der Preis dafür ist hoch. Nach einem Einsatz, wenn der Adrenalinspiegel sinkt, kommt der Zusammenbruch. Die Erschöpfung ist überwältigend, und es fühlt sich an, als hätte Elvira meine gesamte Energie aufgebraucht. Das sind die Momente, in denen ich mich von der Natur trösten lasse – durch einen Waldspaziergang oder einfach die Stille am See.

ADHS und Medikamentenpausen: Ein zweischneidiges Schwert

Es gab Zeiten, in denen ich ohne Medikamente leben musste, und ich kann dir sagen: Das war nicht leicht. Medikamente sind kein Allheilmittel, aber sie geben Struktur, wo sonst Chaos herrscht. Eine Zeitlang hatte ich keine Wahl, doch heute nehme ich sie wieder regelmäßig. Ich weiß, dass sie mir helfen, aber ich bin auch vorsichtig. Medikamentenpausen sind manchmal nötig, um zu sehen, wie ich ohne sie funktioniere – aber sie erfordern Geduld und eine gute Planung.

Diese Balance zu finden, ist nicht einfach. Es gibt Tage, an denen ich scheitere, an denen Elvira die Oberhand gewinnt. Aber ich habe gelernt, dass Scheitern nicht das Ende ist. Es ist ein Schritt auf dem Weg.

Elvira und ich: Wenn ADHS dich aus der Bahn wirft

Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, dass ich mein ADHS immer im Griff habe. Elvira hat mich schon oft aus der Bahn geworfen – nicht weil ich es wollte, sondern weil es einfach passiert ist. Ich habe Projekte abgebrochen, weil ich den Fokus verloren habe. Ich habe Freunde enttäuscht, weil ich Termine vergessen habe. Aber all das macht mich nicht weniger wertvoll.

Ich möchte, dass du weißt: Niemand ist perfekt. Auch ich nicht. Und das ist okay. Elvira zeigt mir, dass es nicht darum geht, Fehler zu vermeiden, sondern daraus zu lernen. Sie zwingt mich, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Die Natur: Mein Rückzugsort und meine Heilung

Wenn der Sturm in meinem Kopf zu laut wird, finde ich Ruhe in der Natur. Sie ist mein sicherer Hafen, mein Ort der Heilung. Egal, ob ich durch den Wald laufe oder einfach auf einem Felsen sitze und den Wind spüre – die Natur hilft mir, Elvira zu beruhigen.

Ein besonderer Moment war eine Wanderung auf den Donnersberg. Dort, inmitten der alten Bäume und schroffen Felsen, fühlte ich mich geerdet. Es war, als hätte die Natur mich verstanden, ohne dass ich ein Wort sagen musste.

Praktische Tipps: Wie ich meinen Drachen reite

  1. Routinen schaffen: Plane deinen Tag in machbaren Schritten. Eine klare Struktur hilft, das Chaos zu zähmen.
  2. Die Kraft der Natur nutzen: Gehe raus, bewege dich, atme tief durch.
  3. Hyperfokus bewusst lenken: Setze klare Grenzen, damit du nicht alles andere vergisst.
  4. Akzeptiere Fehler: Sie sind Teil des Lebens und eine Chance, zu wachsen.
  5. Hol dir Unterstützung: Freunde, Familie und Fachleute können eine große Hilfe sein.

Ein Aufruf: Umarme deinen Drachen

ADHS ist kein Feind. Es ist ein Teil von mir, ein Teil von dir. Es ist wild, unberechenbar, aber auch voller Möglichkeiten. Umarme deinen Drachen, finde deine Balance und erkenne, dass du nicht perfekt sein musst, um wertvoll zu sein.

Was denkst du?

Wie gehst du mit deinem Drachen um? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren – gemeinsam können wir voneinander lernen und einander unterstützen!

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