Aus Scheiße Gold – Teil 2
Neubeginn nach Stillstand im Staub
Es klingt hart, aber es ist die Wahrheit: Manchmal ist das Leben einfach Scheiße.
Nicht poetisch, nicht verpackt, nicht abgeschwächt – einfach nur anstrengend, unfair, dreckig.
Und trotzdem liegt genau darin ein Geheimnis: Aus Scheiße Gold machen heißt, aus dem Dreck etwas Wertvolles wachsen zu lassen. Nicht sofort, nicht ohne Kampf, aber am Ende vielleicht gerade deshalb unzerbrechlich.
Mein Neubeginn nach Stillstand begann nicht auf einer sonnigen Wiese, sondern im Betonwerk. Zwischen Staub, Ölgeruch und Maschinenlärm. Ein Ort, an dem du jeden Abend spürst, wie schwer die Arbeit auf deinen Knochen liegt – und doch genau hier keimte etwas Neues.
Der Punkt, an dem ich fast alles hinschmiss
Vor ein paar Monaten war ich so weit: Ich wollte alles hinschmeißen.
Ich hatte meinen Stapler schon leergeräumt, innerlich war ich fertig. Alles in mir schrie: Schluss. Ich halte das nicht mehr aus.
Und dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Menschen, von denen ich es nicht erwartet hätte, sagten:
„Bleib. Wir wollen dich hier nicht verlieren.“
Es war kein lauter Appell, keine Drohung, kein Befehl. Es war ein ehrliches: „Du bist wichtig.“
Und genau das ließ mich innehalten.
Manchmal sind es nicht große Reden, die dich retten. Manchmal reicht ein Satz, der dich spüren lässt: Du zählst.
Staub, Stapler und Strukturen
Offiziell bin ich Leiharbeiter. Noch.
Aber auf dem Papier steht nicht, was in der Realität passiert.
Im Betonwerk habe ich angefangen, Ordnung zu schaffen. Erst kleine Dinge: Zettel, Regale, Abläufe. Dann größere: ganze Projekte, ganze Bereiche.
Aus einem Stapel Chaos entstand Struktur. Aus einem Flickenteppich wurde ein System.
Eines meiner ersten Projekte war ein Regal für Dichtungen. Für Außenstehende unscheinbar. Für mich ein Wendepunkt.
Ich habe es gebaut, eingeräumt, abgeschlossen. Und mit jedem Schritt spürte ich: Das ist mehr als ein Job. Das ist ein Fundament.
Arbeit als Wendepunkt – genau das wurde daraus. Denn plötzlich war klar: Ich kann wieder Dinge zu Ende bringen. Ich kann Spuren hinterlassen, die bleiben.
Worte, die bleiben
Manchmal sind es Sätze, die alles drehen.
Ein Satz wie:
„Er hat in weniger als einem Jahr geschafft, was hier seit zehn Jahren niemand hinbekommen hat.“
Das war keine Statistik, kein Lob in einer Mail, sondern eine klare Ansage. Eine Anerkennung, die mir zeigte: Ich bin nicht „nur“ Leiharbeiter. Ich bin Teil von etwas, das zählt.
Kurz darauf forderte ich eine Lohnerhöhung. Nicht kleinlaut, nicht vorsichtig. Selbstbewusst.
Und weißt du was? Ich bekam sie. Fast genau das, was ich wollte.
Vielleicht fehlten ein paar Cent – aber was sind schon Cent gegen das Gefühl, dass deine Arbeit endlich gesehen wird?
Das war der Moment, in dem ich begriff: Aus Scheiße Gold bedeutet nicht, dass alles perfekt glänzt. Es bedeutet, dass deine Schritte anfangen zu zählen.
Konflikte überwinden – Brücken bauen
Natürlich lief nicht alles glatt. Es gab Reibungen, harte Worte, Tage, an denen ich dachte: Jetzt bricht alles zusammen.
Aber ich habe gelernt: Konflikte überwinden heißt nicht, dass einer Recht behält. Es heißt, dass aus Reibung neue Wege entstehen.
Ein Kollege, mit dem es richtig geknallt hatte, wurde plötzlich zum Unterstützer.
Nicht, weil wir plötzlich beste Freunde wurden, sondern weil wir verstanden: Wir stehen auf der gleichen Seite.
Aus Widerstand wurde Verständnis. Aus Streit wuchs Respekt.
Das zeigt mir: Auch im Staub kann etwas keimen. Auch im Lärm einer Halle kann Vertrauen wachsen.
Manchmal entsteht genau dort, wo du denkst, dass alles zerbricht, eine Brücke, die trägt.
Emilio, der leise Funke
Und dann ist da Emilio.
Seit Monaten begleitet er mich zur Arbeit. Er hat seinen sicheren Platz, seinen Rückzugsort – mitten im Chaos, und doch unberührt davon.
Wenn es zu heiß war, durfte er ins klimatisierte Büro zu Kollegen, die selbst Hunde haben. Dort lag er still, ohne Stress, ohne Jammern.
Und in meinen Pausen war er mein Anker. Wir gingen Gassi, ich fütterte ihn, und jedes Mal freute er sich, als wäre ich gerade erst zurückgekehrt.
Manchmal reicht es, wenn ich seinen Atem höre. Ruhig. Gleichmäßig. Während Maschinen dröhnen, während Zahlen und Projekte mir den Kopf zerreißen.
Er erinnert mich daran, dass das Leben nicht nur aus Plänen besteht. Dass Veränderung annehmen manchmal heißt: einfach still neben jemandem zu sitzen, der bleibt.
Und nach Feierabend haben wir unser Ritual: ein spezieller Weg, auf dem Emilio Gas gibt, mich mit meinem E-Bike überholt und mit Vollspeed über den Acker fliegt. Pure Freude.
Er zeigt mir: Auch in einer lauten Welt gibt es Momente, die frei sind.
Wendung: Gold im Staub
Wenn ich zurückblicke, sehe ich: Die Scheiße war real. Die Erschöpfung, die Zweifel, die Konflikte – nichts davon war leicht.
Aber genau darin liegt das Gold.
Ohne die Kämpfe hätte ich die Anerkennung nicht gespürt.
Ohne den Stillstand hätte ich den Wert der Bewegung nicht verstanden.
Ohne die Funkstille hätte ich meine Stimme nicht wiedergefunden.
Manchmal musst du durch den Dreck, um den Glanz zu sehen.
Und genau das bedeutet für mich heute: Neubeginn nach Stillstand.
Deine Scheiße, dein Gold
Vielleicht stehst du selbst gerade an so einem Punkt.
Vielleicht fühlst du dich unsichtbar, austauschbar, wie eine Figur am Rand.
Vielleicht denkst du: Es lohnt sich nicht. Ich sollte einfach aufgeben.
Dann will ich dir sagen: Warte. Bleib.
Vielleicht ist genau dieser Moment, in dem alles dunkel aussieht, der Anfang von etwas, das später glänzt.
Denn am Ende geht es nicht darum, wie perfekt dein Weg ist.
Es geht darum, dass du ihn gehst.
Dass du lernst, deine Konflikte zu überwinden, deine Veränderungen anzunehmen, und dass du erkennst: Auch im Staub kann Gold liegen.
Ausblick
Das war meine Reise von der Funkstille bis zur ersten Spur von Gold.
Aber es ist nur der Anfang. Auf diesem Fundament wächst mehr.
Und ich werde dich mitnehmen auf diesen Weg – raus aus der Dunkelheit, hinein in die Geschichten, die zeigen: Hoffnung keimt manchmal genau dort, wo du sie am wenigsten erwartest.
Hier findest du nochmal Teil 1, falls du neu bist und diesen noch nicht gelesen hast.



