Die verlorenen Spuren der Anderson Barracks – Eine Reise durch Kindheit, Zerstörung und Hoffnung
Die Anderson Barracks in Dexheim waren einst ein lebendiges Zentrum des amerikanischen Militärs und ein Herzstück vieler Erinnerungen – auch meiner. Als Kind hatte ich das Glück, ein Stück dieser Geschichte zu erleben. Heute jedoch steht der Ort verlassen da, ein stiller Zeuge vergangener Zeiten. Mit diesem Artikel nehme ich dich mit auf eine emotionale Reise durch Erinnerungen, historische Einblicke und die geplanten Entwicklungen wie den Rhein-Selz-Park.
Ein lebendiger Ort meiner Kindheit
In den 80er und 90er Jahren waren die Anderson Barracks ein pulsierender Mikrokosmos, der von der US-amerikanischen Präsenz in Deutschland geprägt war. Für mich waren sie jedoch auch ein zweites Zuhause. Dank der Freundschaften meiner Mutter mit amerikanischen Familien war ich oft Teil des Lebens auf dem Gelände.
Die Commissary, die „PX“, war ein echtes Highlight. Sie war wie ein kleines amerikanisches Paradies voller bunter Produkte, die ich nirgendwo anders finden konnte. Das süße, leicht künstliche Aroma der Regale bleibt mir bis heute im Gedächtnis.
Eine Schlüsselfigur meiner Kindheit war Heike, eine deutsche Betreuerin im Kindergarten und bei den Pfadfindern, die mit einem amerikanischen Soldaten namens Cole verheiratet war. Ihre Hochzeit in der kleinen Kirche der Anderson Barracks war ein magischer Moment – ein Bild von Liebe und Gemeinschaft, das ich nie vergessen werde.
Geschichte der Anderson Barracks: Von der Gründung bis zum Verfall
Die Ursprünge und militärische Bedeutung
Gegründet 1952, dienten die Anderson Barracks über Jahrzehnte hinweg als wichtiger Stützpunkt der US-Armee. Hier waren Panzerbrigaden stationiert, und die Base war ein zentraler Punkt während des Kalten Krieges. Nach dem Ende des Kalten Krieges begann jedoch ein schleichender Rückzug der Truppen. 2008 schließlich wurde der Stützpunkt offiziell geschlossen.
Die Schule und Taylins Handabdruck
Die Schule auf den Barracks war für mich ein Ort, der vor Leben sprühte. Obwohl ich damals noch zu jung war, um selbst Schüler zu sein, faszinierte mich die Wand mit den Handabdrücken. Jedes Kind, das dort lernte, hinterließ einen Abdruck – eine bunte Collage aus Erinnerungen und Geschichten. Einer dieser Abdrücke gehörte Taylin, einem Mädchen, mit dem ich mich besonders gut verstand.
Taylin war ein echter Wirbelwind, voller Leben und Energie. Sie war klug, lustig und einfach eine Nummer für sich. Wenn ich heute an diese Wand denke, sehe ich sie vor mir, wie sie lacht und sagt: „Tja, übermalt ihr ruhig meine Abdrücke, aber ich war zuerst hier.“
Doch das Leben schreibt manchmal tragische Geschichten. Taylin starb beim Unglück des World Trade Centers. Es tut weh, daran zu denken, dass jemand, der so lebendig war, so früh gehen musste. Die Wand, die einst ihre Geschichte erzählte, ist heute verwischt, verschmiert, vergessen. Und doch bleibt sie in meinem Herzen – ein kleiner, bunter Abdruck, der niemals verblasst.
Die Feuerwehr und mein Urgroßonkel
Eine meiner frühesten Erinnerungen an die Anderson Barracks ist die Feuerwache. Die roten Feuerwehrfahrzeuge auf dem Gelände wirkten auf mich wie riesige Helden, bereit, jedes Feuer zu bekämpfen. Mein Urgroßonkel war Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Alzey, und durch ihn kannte ich die deutschen Feuerwehrfahrzeuge jener Zeit gut.
Große Trucks und große Erinnerungen
Für mich waren diese Fahrzeuge ein Symbol von Stärke und Abenteuerlust. Heute ist von der Feuerwache kaum etwas übrig, aber die Erinnerungen bleiben lebendig.
Die Bowlingbahn und der Verfall
Als ich 2018 die Anderson Barracks besuchte, traf mich der Anblick der Bowlingbahn wie ein Schlag ins Gesicht. Früher war sie ein Ort voller Lachen, wo Familien und Freunde zusammenkamen, um die Zeit zu genießen. Doch was ich sah, war Zerstörung. Kabeldiebe hatten die Wände aufgerissen, Rohre herausgerissen, sogar eine komplette Heizungsanlage gestohlen.
Zerstörung statt Erinnerung
Es war nicht der geplante Rückbau, der mich schockierte – es war die rohe Gewalt, die in diesen Wänden steckte. Hier war nichts mit Respekt behandelt worden, nichts mit Würde. Es fühlte sich an, als hätte jemand meine Kindheit aus den Wänden gerissen und einfach weggeworfen.
Kulinarische Abenteuer in der Kantine
Die Kantine auf den Barracks war für mich der Ort, an dem ich zum ersten Mal Süßkartoffelpüree probierte. Es war etwas völlig Neues, etwas so Anderes als die Kartoffeln, die ich von zu Hause kannte. Ich fand es so lecker, dass ich mich regelrecht überfraß – mit dem Ergebnis, dass ich später Bauchschmerzen hatte.
Doch selbst das ist eine warme Erinnerung, eine kleine Anekdote, die mir zeigt, wie unbeschwert diese Zeit war. Es war ein Ort, an dem ich neue Dinge entdecken konnte, sei es Essen, Menschen oder Geschichten.
Der geplante Rhein-Selz-Park und NTT
Die Anderson Barracks sollen eine neue Zukunft erhalten. Das Gelände wird zum Rhein-Selz-Park, einer modernen Mischung aus Gewerbe- und Freizeitflächen. Ein zentrales Projekt ist der Bau eines riesigen Rechenzentrums des japanischen Telekommunikationskonzerns NTT, das eines der größten Europas werden soll.
Ein Mega-Projekt mit Herausforderungen
Mit einer geplanten Investition von rund 5 Milliarden Euro wird das Zentrum nicht nur modernste Technologie beherbergen, sondern auch etwa 600 neue Arbeitsplätze schaffen. Die Herausforderung liegt in der Energieversorgung: Das Zentrum wird bis zu 500 Megawatt Strom benötigen – eine beeindruckende, aber auch logistisch anspruchsvolle Zahl.
Eine Chance für die Region
Das Projekt könnte die Region nachhaltig verändern. Neben den Arbeitsplätzen wird auch die Infrastruktur profitieren, und die lokalen Gemeinden könnten von hohen Gewerbesteuereinnahmen profitieren.
Erinnerung bewahren: Ein Denkmal für die Anderson Barracks
Trotz der spannenden Zukunftspläne darf die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten. Die Anderson Barracks sind mehr als ein Stück Land – sie sind ein Ort voller Geschichten. Von den Soldaten, die hier dienten, über die Familien, die hier lebten, bis hin zu Kindern wie mir, die hier ihre ersten Abenteuer erlebten.
Vergangenheit und Zukunft verbinden
Ich wünsche mir, dass die Vergangenheit gewürdigt wird. Eine Gedenktafel, ein kleines Museum oder der Erhalt eines der historischen Gebäude könnte ein Zeichen setzen – ein Zeichen, dass Geschichte und Fortschritt Hand in Hand gehen können.
Ein Denkmal für Vergangenheit und Zukunft
Die Anderson Barracks sind für mich ein Symbol für das Leben, die Veränderung und die Hoffnung. Sie erzählen Geschichten von Freundschaften wie der mit Taylin, von kleinen Momenten wie meinem ersten Süßkartoffelpüree und von großen Momenten wie der Hochzeit von Heike und Cole.
Ich hoffe, dass diese Geschichten auch in Zukunft weiterleben – in den Erinnerungen der Menschen, in der Architektur des neuen Rhein-Selz-Parks und in den Herzen derer, die diese Geschichte hören